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Impuls zum 29. September 2024

Zum 26. Sonntag im Jahreskreis

Von Klaus Hagedorn (Oldenburg), Geistlicher Beirat pax christi Deutsche Sektion e.V.

Prophetischer Geist gegen viel Murren

Vorneweg
„Wofür stehst du mit Entschiedenheit ein? Wann, wo und wie leistest du nach Kräften Widerstand?“ Diese Fragen haben sich mir in der vergangenen Woche – auch mit Blick auf diesen Sonntagsimpuls – wieder einmal gestellt. Nachfolgend möchte ich Gedanken und Blickrichtungen teilen, die mir dabei gekommen sind. 

Eine Bitte
Bei allem, was geschieht, 
schreckenerregend, menschenunwürdig, 
öffne unser Herz und unseren Verstand 
für das, was auch geschieht: 
Gerechtigkeit, die vollbracht wird, 
Menschen, die sich einsetzen 
und durchhalten bis zum Ende. 
Dass unsere Augen sich öffnen 
für die Blitze einer neuen Welt. 

Dass wir uns nicht einschüchtern lassen 
durch die, die die Macht haben, 
wohl jetzt noch, doch einst nicht mehr – 
dass wir erfinderisch 
die kleinsten Chancen zu nützen lernen, 
Frieden zu stiften und Recht zu tun, 

dass wir den Mut nicht verlieren, 
dass wir der Stimme nicht misstrauen, 
die in uns spricht von Frieden, 

dass wir im Wort uns aufrechterhalten, 
dass nichts unmöglich ist 
bei Gott Ich-werde-dasein. 

(aus: Huub Oosterhuis, Du, nur du, immer du. Gebete. Ostfildern 2021, S. 55)


Lesung vom 26. Sonntag i.J.: Numeri 11,25-29
In jenen Tagen kam der HERR in der Wolke herab und redete mit Mose. Er nahm etwas von dem Geist, der auf ihm ruhte, und legte ihn auf die siebzig Ältesten. Sobald der Geist auf ihnen ruhte, redeten sie prophetisch. Danach aber nicht mehr. Zwei Männer aber waren im Lager geblieben; der eine hieß Eldad, der andere Medad. Auch über sie kam der Geist. Sie gehörten zu den Aufgezeichneten, waren aber nicht zum Offenbarungszelt hinausgegangen. Auch sie redeten prophetisch im Lager. Ein junger Mann lief zu Mose und berichtete ihm: Eldad und Medad sind im Lager zu Propheten geworden. Da ergriff Jósua, der Sohn Nuns, der von Jugend an der Diener des Mose gewesen war, das Wort und sagte: Mose, mein Herr, hindere sie daran! Doch Mose sagte zu ihm: Willst du dich für mich ereifern? Wenn nur das ganze Volk des HERRN zu Propheten würde, wenn nur der HERR seinen Geist auf sie alle legte! 

Prophetischer Geist gegen Murren 
Das Buch Numeri im Ersten Testament beschreibt Erfahrungen der Israeliten auf der Wüstenwanderung nach dem Auszug aus Ägypten. Wie auf einem Bilderbogen treten da die Problemlagen zu Tage. Hintergrund der Lesungsszene ist ein Murren der Leute, mit denen Mose sich auf den Weg gemacht hat. „Murren“ geschieht meistens an Nullpunkten, da, wo Resignation anknabbert, die Welt nicht mehr verstanden wird, weil Erfolg sich nicht zeigt. Es ist, als wenn sich alles Engagement irgendwie verläuft. Da bohren dann die Fragen nach dem Sinn des Ganzen. 

Solche Erfahrung scheint zeitlos bis heute. Da ist man voller Elan aufgebrochen. Hier: Mit Jahwe in die Freiheit - darum ging es einzig. Da geschah Großartiges am Schilfmeer. Aber dann kommt der lange Weg durch die Wüste des Alltags. Keine:r kann sich mehr etwas vormachen. Wüste bedeutet: Durststrecken. Die Vergangenheit wird verklärt und der inspirierende Anführer bekommt allen Frust zu spüren. Freiheit hin, Freiheit her: Alle murren entsetzlich und sehnen sich zurück zu den vollen Fleischtöpfen und den fließenden Wassern. Der Anführer Mose erfährt sich am toten Punkt. Sein Mut zum Aufbruch ist angesichts allen Aufbegehrens an eine Grenze gekommen. Er zweifelt an sich - und an seinem Gott. Er steht mit dem Rücken zur Wand, sieht sich irgendwie am Ende. Er betet seine Verzweiflung aus sich heraus. 

Hier setzt unser Lesungstext ein: Mose hört in sich eine Stimme, eine Ermutigung zu einem nächsten Schritt in der Krise. Er soll „siebzig Älteste“ auswählen; sie sollen qualifiziert und autorisiert werden. Geist, Berufung und Verantwortung sollen auf verschiedene Schultern gelegt werden - somit Mose entlastet. Wüstengang ist kein Ein-Mann-Unternehmen mehr. Da wird kollegial neu strukturiert. Und der Geist ist so reichlich, dass von ihm auch zwei junge Leute im Lager, Eldad und Medad, angesteckt werden und wie „Propheten“ reden – nicht nur die versammelten siebzig Alten. Josua, designierter Nachfolger des Mose, denkt wie ein Funktionär, sieht darin eine Grenzübertretung und Gefahr, will den Geist kanalisiert wissen. Mose soll den beiden Jungen Geist, Berufung und Verantwortung absprechen, damit sie nicht weiterhin die Leute „im Lager“ durch ihre Begabung in Bewegung bringen. 

Mose reagiert aber anders. Er kritisiert Josua – und nicht Eldad und Medad: „Wenn nur das ganze Volk des HERRN zu Propheten würde, wenn nur der HERR seinen Geist auf sie alle legte!“ Alle sollen angesteckt werden. Der Geist weht also auch bei Eldad und Medad. Er weht dort, wo er will. Das ist für Funktionäre wie Josua angstbesetzt und oft schwer aushaltbar. 

Für Mose ist ein Leute-in-Bewegung-Bringen offensichtlich etwas Positives, eben ein Ermöglichen. Da wird Raum gegeben, zugehört und anderen Platz gelassen. Da kreist man nicht um sich selber und sieht nur sich und seine Bedürfnisse. Besetzte Funktionen sind kein Selbstzweck, sondern haben zu „dienen“. Es geht bei allem darum, was hier und heute, in dieser jetzigen Situation und Lage, notwendig und Not wendend zu tun ist und einem Mehr an Leben „dient“. Mit solcher Sicht des Mose in diesem Numeri-Text könnten wir in unseren Bewegungen und kirchlichen Strukturen von einem oftmals Jammern in ein heilsames Entscheiden und Gestalten kommen und dazu beitragen. 

Ein Mutmachpsalm – ein Nachklang
Erwarte keine frommen Sprüche in diesem Mutmachpsalm. Er hat es in sich. Fühle dich bitte nicht angegriffen oder kritisiert, sondern – so oder so, durch die eine oder andere Stelle – inspiriert, erinnert, motiviert. 
Er ist betitelt mit: „Kommt in die Puschen“  –  immer wieder neu, nicht mit Gram oder Enttäuschung, sondern mit Zuversicht trotz vielem und mit Entschiedenheit vielem zum Trotz. 
Gemeint ist: Bleibe aufrecht mit Blick nach vorne, auch wenn es schwerfällt. Gib nicht auf. Sei erschütterbar und widerstehe. Das Leben geht weiter mit uns, behutsam, Schritt für Schritt. 

Steht auf, ihr müden Langweiler,
kommt in die Puschen,
vergeudet nicht eure Zeit,
sie ist bemessen, nicht endlos. /// 
Was können wir schon tun,
jammert ihr mit klagendem Seufzen,
euer Selbstmitleid dröhnt dem Ewigen
in seinen geduldigen Ohren. /// 
Mit fantasiereichen Ausreden
seid ihr flink und geübt zur Stelle,
anstatt zu tun, was ihr könnt,
sinkt ihr in eure Kissen, lethargisch. /// 
Hätten wir doch, dann würden wir,
moniert ihr mit kläglicher Stimme
und vergesst, was der Ewige
euch selbst an Talenten geschenkt. /// 
Mit trauriger Lust schaut ihr immer
auf das, was nicht ist,
es mangelt euch nicht an Eifersucht,
sie hält euch gefangen. /// 
Selbstverliebt, wie ihr seid,
seht ihr nur das unerreichbare Große,
für die kleinen Schritte, die ohne Applaus,
seid ihr euch zu fein. /// 
Doch die genau sollt ihr gehen,
und sie sind euch jetzt möglich,
seid etwas bescheidener, geduldiger,
ihr könnt mehr, als ihr denkt. /// 
Besser zehn kleine Schritte
als mutloses Stillstehen,
hellwach sein für das,
was neben euch wartet. /// 
Verplempert nicht eure Tage mit Warten
auf die Chance aller Chancen,
fahrt eure Eitelkeit in den Leerlauf,
und tut endlich was. /// 
Der Ewige selbst schaut nicht
auf die Prominenz eurer Leistung,
auch das Kleine und Verborgene sieht er
und ist euch dort nah. /// 
Er gebe euch Rückenwind für all euer Tun
und auch für das Lassen der Ziele,
die, zu verklärt und zu hochgesteckt,
euch unnötig lähmen. /// 
Er mache euch Feuer
unter eure selbstgefälligen Hintern,
wecke Leidenschaft und Lebenslust in euch,
es ist genug da. /// 
Dann werdet ihr eure Tage dankbar und froher
am Abend beenden,
nicht klagen, was wieder nicht war, 
sondern was ihr im Kleinen erreichtet. /// 
Dann seid ihr dem Ewigen eine Freude,
so wollte er euch,
und die mit euch leben danken euch,
ihr nehmt sie jetzt wahr. /// 
Empfindsamer für tägliche Sorgen
und scheue Blicke, hilfesuchende,
lebt ihr im Augenblick, seid nahbar,
gebt anderen Kraft. /// 
Ihr schielt nicht mehr nach großer Bühne
und donnerndem Beifall,
das dankbare Lächeln eines Menschen
erfüllt euch weit mehr. /// 
Also, erhebt euch, runter vom Sofa,
verlasst eure Kuschelecken,
das Leben erwartet euch, nur Mut,
es wird spannend, es ist eure Zeit! 

(aus Stephan Wahl, Erwarte von mir keine frommen Sprüche. Ungeschminkte Psalmen, Würzburg 2022, S. 77-79) 

Der Gott, der die Liebe und das Leben ist 
und der uns zu Frieden und Versöhnung 
mit allen Menschen immer wieder neu anstiftet, 
er begleite uns in aller Suche und in allem Fragen. 
Amen: So sei es und so bleibe es! 

Ein Hinweis zum Schluss – Der Internationale Tag der Gewaltlosigkeit – am 2.10.2024
Der 2. Oktober jeden Jahres ist in 2007 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum „Internationalen Tag der Gewaltlosigkeit“ erklärt worden ist. Die Entscheidung fiel auf diesen Tag, weil es der Geburtstag von Mahatma Gandhi ist. 

pax christi will diesen Tag zum Anlass nehmen, das Thema Aktive Gewaltfreiheit in den Blickpunkt zu rücken. Deshalb hat die pax christi-Kommission Aktive Gewaltfreiheit einen ausgearbeiteten Aktionsvorschlag erstellt – und eine entsprechende Arbeitshilfe mit Aussprüchen / Zitaten und kurzen Einblicken in die Biografien von: Máiread Corrigan-Maguire, Dorothy Day, Mahatma Gandhi, Jean Goss, Hildegard Goss-Mayr, Rutilio Grande SJ, Franz Jägerstätter, Abdul Gaffar Badshah Khan, Martin Luther King, Oscar Romero und Dorothy Stang. Wir bieten an, für diese Aktion die neu erstellten Banner (175 x 220cm) mit je vier „Gestalten der Gewaltfreiheit“ zu nutzen. Und regen an, eine solche Aktion auch an Tagen in den Monaten Oktober bis Dezember durchzuführen. 

Nähere Infos bei 
Norbert Richter: norbert.richter@posteo.de
Daniel Hügel: muenster@paxchristi.de
Klaus Hagedorn: k.hagedorn@paxchristi.de